Das Ende der Design-Utopisten-Diskussion?

Ändert sich unser Lebens- und Konsum-System „by design“ oder „by desaster“?

„Design soll andere Ziele verfolgen, als den Wachstum zu folgen“ schreibt er und „Designer sollten die Welt vom Überfluss befreien“, fordert der Soziologe Harald Welzer in einem aktuellen Interview (Januar 2014, Link s.u.).
Im Interview wird er als Vordenker vorgestellt. In Artikeln und im Interview entpuppt er sich lediglich als schlechter Nacherzähler.

http://mobil.deutschebahn.com/was-bleibt/designer-sollten-die-welt-vom-ueberfluss-befreien/

Das, was er schreibt und sagt klingt richtig und ist an sich auch vernünftig, vernachlässigt aber grundsätzlich, dass alles, was wir als Wohlstand bezeichnen und aktuell mit absoluter Selbstverständlichkeit nutzen, nicht auf Basis von Vernunft entstand.
Bereits der Umstand, dass es uns extrem gut geht, wird nicht wahrgenommen. Wie soll dann wahrgenommen werden und wer will dann wahrnehmen, dass vieles von dem auf Basis des Leids anderer basiert.

Alle Geldgeschenke (Kindergeld, BaföG, Mutterschutz, Herdprämie, Geld fürs Nichtstun = Hartz IV etc.) werden selbstverständlich und gerne entgegengenommen. Dass der Schuldenberg unseres Landes zu einem erheblichen Anteil aus diesen Geldgeschenken resultiert wird gerne übersehen.
Schuld wird auch hier nicht bei einem selber, sondern bei anderen gesucht. In diesem Fall bei den Politikern.

Insbesondere die deutsche Gesellschaft ist eine, die versorgt werden will.
Diese Gesellschaft ist dann auch dankbar, wenn es Personen wie den Welzer gibt, die das Aufmerksam machen übernehmen und so tun, als gäbe es eine Alternative, die die nach versorgt-werden suchende Gesellschaft bereit wäre mitzutragen.

Es wird doch schon aufgeschriehen, wenn lächerliche 2400,- bis 3000,- Euro für 3-4 Jahre Studium in Form von Studiengebühren bezahlt werden sollen. Das das aus den üppigen Geldgeschenken (Kindergeld) bezahlt werden könnte, wird gerne übersehen. Das wurde dann bereits verprasst, anstatt von den fast 190,- Euro monatlich pro Kind 15,- Euro zurückzulegen, um nach 18 Jahren 3240,- Euro übrig zu haben (auf einem Tagesgeldkonto ohne Inflationsverlust).
Mal davon abgesehen kann der Studiengangsbeitrag auch von der KfW-Bank als Kredit beantragt werden, den man über 25 Jahre zu extrem geringen Zinsen zurückzahlen kann.

„Das hab ich nicht gewusst“, wird dann immer gesagt.

Seit 1993, seitdem es das visuelle Internet gibt, gibt es aber keine Ausrede mehr, nicht informiert zu sein.

Wer zu so banalen Eigenleistungen weder bereit noch in der Lage ist, wird perse auf Verbrauch ausgerichtet bleiben und die Schuld gerne bei anderen suchen. Mal sind die Politiker, mal die Medien schuld. Und nun sind es die Designer, die durch ihre Arbeit den armen Verbraucher zum Konsum verleitet.

Es gibt weder eine Kaufverpflichtung bestimmter Produkte noch eine Nutzungsverpflichtung bestimmter Medien.

Jeder sollte selber entscheiden, was er tut, wenn er/sie als mündige Bürger bezeichnet werden will. Demnach kann sich jeder informieren und sollte es auch.
Wie es um die Welt und unsere Zukunft mit der Umwelt steht ist jedem bekannt.
Nur handeln die wenigsten auf Basis dieser Erkenntnis. Verschwendung, schnelles Autofahren, übergroße Fernseher, schlechtes Heizverhalten, sinnloser Stromverbrauch, kaufen von Produkten, die man kaum oder gar nicht benötigt etc.
All das kann man nahezu jedem einzelnen zum Vorwurf machen.

Diese Art von Deppen werden immer jene Politiker wählen, die das Fortbestehen der Vollversorgung garantieren. Die Politiker werden, wenn sie gewählt werden wollen, nach Tricks suchen, die Quittung und die Folgen der daraus resultierenden Verschwendung von Geld und Ressourcen weit in die Zukunft zu verlegen bzw. zu verschleiern. Für die Folgen werden die Deppen nicht sich selber, sondern die Politiker verantwortlich machen.
Man sieht es bei den Griechen, die sich gegenseitig bestechen (fakelaki), mit absoluter Selbstverständlichkeit in allen gesellschaftlichen Schichten Steuern hinterziehen und nicht einen Moment damit verbringen, darüber nachzudenken, dass sie es selber sind, die die 300 Milliarden verprasst haben, die das Land nun zu schultern hat und die Weltgemeinschaft auffordert, sich an der Tilgung dieser Schulden zu beteiligen.
Oder die Grünen wollten bei ihren Stammwählern, den gut Verdienenden, die Steuern erhöhen. Nicht erst ab 100.000,- Euro, sondern bereits ab 60.000,- Euro Jahresgehalt. Sie haben ihre Wähler verloren. Die Pläne der Grünen waren vernünftig, deren Stammwähler hätten aber Einbußen hinnehmen müssen.
Selbst die Wähler der Grünen wollen oftmals nur dann vernünftig sein, solange es nicht sie selber trifft.
Andere erträumen sich gleich das bedingungslose Grundeinkommen. Damit sie finanziell abgesichert ihren naiven Träumen hinterher träumen können, ohne selber dafür im doppelten Sinne bezahlen zu müssen.

Designer sind die letzten, die an dieser Form von Dummheit, Trägheit, Faulheit und Verwöhntheit etwas ändern können.
Mal davon abgesehen sind sie ein wesentlicher Teil der Verschwendungs- und Wachstums-Gesellschaft.
Designer werden gebucht, um vorhandene Produkte bekannter und erfolgreicher zu machen bzw. nicht bekannte Produkte in den Markt zu bringen. Dazu wird Bedarf geschaffen, den es zuvor nicht gab und Bedürfnisse geweckt, die nicht immer als notwendig oder vernünftig bezeichnet werden können.
Niemand beauftragt einen Designer, um den Designern einen Gefallen zu tun. Auftraggeber wollen durch Design erfolgreicher werden.

Eine Kaufentscheidung wird in den meisten Fällen über den Preis und das Design entschieden.

Mit dieser Erkenntnis fällt es grundsätzlich schwer, den Eindruck erwecken bzw. Herrn Welzer Glaubwürdigkeit unterstellen zu wollen, dass es nun die Designer sein sollen, die Vernunft in der Gesellschaft zurechtzurücken. Dazu müsste man offen über die Konsequenzen sprechen, die kaum einer hören und die kaum jemand ertragen möchte.
Es genügt nicht, Aufmerksamkeit durch Gestaltung zu bewirken, um Vernunft hervorbringen zu können. Dieser Vorgang ist nicht vergleichbar mit dem, was Designer hauptsächlich tun. Kaufanreize zu wecken oder temporär empfundene Lebensqualitätsverbesserungen durch Design und durch Service Design zu bewirken, haben im Idealfall eine sofortige Belohnung für den Nutzer zur Folge. Deshalb wird der Kunde das gestaltete Produkt oder die gestaltete Dienstleistung auch in Zukunft gerne nutzen. Diese Herangehensweise wirkt aber in den meisten Fällen nur bedingt oder eher selten ressourcenschonend und bestimmt nicht ressourcenerhaltend. Mal davon abgesehen werden nur sehr wenige Nutzer bereit sein, auf dieses „gute Gefühl“ verzichten zu müssen, wenn sie als Gegenangebot nur die Gewissheit erhalten, vernünftig sprich umweltschonend zu handeln. Vereinzelt wird fast jeder mal umweltschonend handeln. Da wo es wenig weh tun und möglichst wenig kostet.

Konsequent ökologisch und ressourcenschonend oder gar ressourcenerhaltend zu agieren hätte hingegen die Erfordernis, ziemlich radikale Änderungen hinnehmen zu müssen und unter Umständen erst nach Jahren festzustellen, dass man einen Erfolg erzielt. Parallel fände stets die Befürchtung statt, selber zu verzichten, während dem andere weiterhin verschwenden. Schon entsteht der Gedanke, durch Gesetze ein bestimmtes Verhalten erzwingen zu wollen.

Die Konsequenz könnte sein, dass man zu Konsumsachzwänge zurückkehrt, wie sie  zu Ostblock-Zeiten von den kommunistischen Staaten bekannt sind. Nur das sie diesmal nicht die Folge einer unwirtschaftlich agierenden Gesellschaft wären, sondern als umweltverträgliche Grundlage gelten würden.
Grundsätzlich wären Fragen berechtigt, warum man mehr als eine Produktvariante eines jeden Produktes benötigt. Ein Trabbi, eine Pferdekutsche, eine Schrankwand, ein Bett-Typ etc. Die Amish-People kommen auch mit einer ähnlichen Auswahl zurecht. Ressourcenschonend oder gar ressourcenerhaltender wäre dies in jedem Fall. Nur wer will das. Und wer will entscheiden bis wann man noch vernünftig und ab wann man unvernünftg agiert. Es wird uns perse unmöglich sein, grundsätzlich umweltunverträglich zu agieren. Es sei denn wir ziehen zurück auf die Bäume und fabulieren von dort über die Gefährlichkeit des Feuers.

Die Vernunft, der gesunde Menschenverstand müsste jeden dazu antreiben, selber etwas zu unternehmen. Aber überall ist sich jeder selber der nächste. Und viele freuen sich, wenn es einen Herrn Welzer gibt, der das Fordern übernimmt. In der Hoffnung, dass sich andere um das Lösen und Umsetzen kümmern. Aber bitte ohne Einschnitte, ohne Veränderung für einen selber.

Es genügt nicht, als Utopist aufzutreten, aber gleichzeitig zu vergessen, dass die Gesellschaft aus Egoisten besteht, die insbesondere in Deutschland hoffnungslos überpampert sind. Es bedarf harter Einschnitte wie bei der Agenda 2010, die zum Glück von der SPD und den Grünen kamen. Da gab es mal die Hoffnung, die SPD könnte sich vom reinen Arbeiterimage lösen und zu einer Partei der gesamten Gesellschaft werden. Auch waren Veränderungen nicht gern gesehen. Die Traumtänzer des Links-Aussen-Flügels der SPD flüchteten in die SED-Nachfolgepartei, die Linke. Dort wird dann weiter geträumt, die Vollversorgung jedem zu garantieren und Leistungsbewusstsein, Engagement und individuelle Entfalltung ignorieren zu können. Jetzt spielt sich die SED-Nachfolgepartei als ökologisch bewusst auf, obwohl ihre politische Haltung und ihr Handeln zu DDR-Zeiten Ökokatastrophen gigantischen Ausmaßes zur Folge hatten. Und wer nicht mitspielen will, wird, sobald es möglich sein sollte, zu seinem Glück gezwungen oder wie Kaninchen an der Mauer von hinten bei der Flucht erschossen.

Der Wachstumsgedanke ist auch die Folge individueller Entfaltungsbedürfnisse. Die einen wollen etwas bewegen und die anderen wollen nur mitgenommen werden und anderen bei der Arbeit zuschauen, am Erfolg und an der Versorgung aber dennoch teilhaben.

Das Denken und die Folgen seines Handeln muss aber jeder selber übernehmen. Die Heilslehren eines Welzers bringen nicht weiter, wenn die Folgen und Konsequenzen nicht gleichzeitig deutlich gemacht werden.

Eigentlich schwätzt Herr Welzer wie ein „Bankberater“, der anhand der Charts aus der Vergangenheit lediglich nacherzählt, was in der Vergangenheit gut oder schlecht verlief.
Das ist der Haupttrick der Schwätzer, die so als Manipulateure agieren. Sie suchen sich fehlerbehaftete Ereignisse aus der Vergangenheit, deren Fehler deutlich und unwidersprochen sind und präsentieren sich nicht nur als deren Entdecker und Aufklärer, sondern gleich als Retter, ohne allerdings selber etwas zu tun, indem sie die rettetende Aufgabe delegieren. In diesem Fall sollen es Designer richten: „Designer sollten die Welt vom Überfluss befreien“.
Herr Welzer wird dabei nur zuschauen. Wenn es gut geht, lässt er sich loben, wenn nicht, wird er weiter schwätzen, was denn trotz seiner Empfehlungen falsch lief.
Derjenige, der nur die Rolle des Beobachters, Moderators oder des vermeintlichen Vordenkers übernimmt, ist stets fein raus.

Welzer fordert, dass Designer die Welt vom Überfluss befreien sollen, merkt dabei aber offensichtlich nicht einmal, dass er so von den tatsächlich Verantwortlichen ablenkt und diese geradezu auffordert, weiterhin die eigene Verantwortung zu übersehen, sich weiterhin – ebenso wie Welzer – entspannt zurückzulehnen, sich nicht zu hinterfragen, selber etwas unternehmen zu müssen.

Jeder Einzelne von uns hat Verantwortung zu übernehmen.

Die Macht des Design ist zwar in jeder Hinsicht offensichtlich, wenn man sich einmal darüber im Klaren wird, dass (wie bereits weiter oben erwähnt) über eine Kaufentscheidung in den meisten Fällen nur zwei Kriterien entscheiden:
– der Preis eines Produktes oder einer Dienstleistung
– das Design bzw. das durch Design bestimmte Image

Vernunft findet bei Kaufentscheidungen selten statt.
Die Verantwortung liegt bei uns allen.

Hätten Designer tatsächlich Macht, würden viele von Ihnen nicht so schlecht bezahlt werden. Unternehmensberatungsbüros, die oftmals ebenso nur schwätzen und nicht einmal ein fertiges oder zumindest verwertbares Ergebnis oder Produkt hinterlassen, haben erheblich höhere Tagessätze, als Design-Agenturen, die sich durchaus als beratendes Unternehmen verstehen dürfen und zusätzlich zur Beratung komplette Produkte, Dienstleistungsabläufe und Handlungsempfehlungen abliefern.

Harald Welzer ist Historikern bisweilen in einem Punkt ähnlich. Er erzählt gerne Geschichten, die sich bereits ereignet haben und hört sich eventuell auch gerne selber beim Erzählen zu. So können sich die so veranlagten in den Mittelpunkt stellen, ohne irgendetwas selber schaffen oder erdenken zu müssen. Es genügt, das plumpe Nacherzählen dessen, was bereits geschehen und einfach als tatsächlicher Fehler zu identifizieren ist.
So machen es all jene Deppen, die denen nur zuschauen, die wirklich und selbstverantwortlich handeln, somit Risiken eingehen und dabei zwangsläufig Fehler machen.
Die Deppen und Schwätzer reagieren erst dann, wenn sich Folgen abzeichnen oder gar Fehler identifizieren lassen, um dann zu behaupten, es schon immer besser gewusst zu haben.

Designer benötigen Auftraggeber, die ökologische und verantwortungsvolle Lösungen mittragen und Verbraucher, die die daraus resultierenden Konsequenzen riskieren und zur Not aushalten.
Es sind nicht die Designer, sondern die Verbraucher, die eigenverantwortlich darüber entscheiden, ob Ressourcen-schonend gelebt wird. Zumindest gilt das bei denen, die sich an anderen Stellen stets gerne als mündige Bürger darstellen.
Den Hinweis, die bösen Medien und die gestalteten Produkte würden einen verführen und der arme Konsument könne nichts für seinen sinnlosen Konsum, können sich nur jene erlauben, die gleichzeitig darauf verzichten, sich als mündig zu bezeichnen.

Vernunft wäre hier das Stichwort und die Bereitschaft auf Verzicht die Notwendigkeit:

Diese Liste zeigt nur Grundvorraussetzungen, die aber bereits nur selten erfüllt werden (können):
– Stromverbrauch halbieren (900 kWh/Single; 1500 kWh/Zweipersonenhaushalt)
– keinen oder nur kleinen PKW fahren
– nie schneller als 120 km/h auf der Autobahn (ab 120 km/h ist jeder Verbrennungsmotor ineffizient. Der Verbrauch steigt ab dann exponentiell.)
– keine Haustiere (überflüssige Zucht von Hunden, die von der Natur eh nicht vorgesehen sind; überflüssige Herstellung von Tiernahrung für Tiere, die z.B. nur der Dekoration und der Pflege eines verantwortungslosem Egos dienen. Die Folge der Herstellung von Haustiernahrung: Menschen haben weniger Anbaufläche; das Fleisch für Haustiernahrung verursacht unnötige Ressourcenverschwendung und CO2)
– keiner Mode folgen
– nur Kleidung kaufen, die man mehrere Jahre trägt
– nur Produkte kaufen, die man tatsächlich benötigt (Bett, Tisch, Stuhl = fertig ?), Produkte immer reparieren und tauschen, so dass nicht jeder dieselben Produkte kaufen muss; z.B. pro Mehrfamilien-Haus einen Pool aus Alltagsprodukten zum Tauschen bilden.

Hier sind wir alle gefordert.
Es genügt nicht festzustellen, dass Design selbst überflüssige Produkte schmackhaft macht, wie es Harald Welzer im Interview tut. Jammern und lästern ist immer einfacher, als die tatsächlichen Konsequenzen zu Ende zu denken und tatsächlich zu ertragen.

Lächerlich ist auch seine Behauptung, vor 20 Jahren sei es anders gewesen, und das iPhone sei nur deswegen so gestaltet, wie es ist, um die Zusammenhänge von Aufwand und Herkunft zu verschleiern.

Es ist wenig rühmlich und auch wenig vorbildlich, aber das Bedürfnis nach Verschwendung lebt in uns Menschen, seitdem es etwas zu verschwenden gibt. Die alten Ägypter und die Römer in der Antike waren darin bereits sehr aktiv. Die geplante Obsoleszenz (gezielte Planung von Verschleiss, um Konsum zu erzwingen) gibt es seit ca. 1929 als Überlegung, um aus der damaligen Wirtschaftskrise zu kommen. Dies sind keine Vorbilder. Aber man sollte erst einmal sehen, was ist wie und warum so ist wie es ist, um realistisch einschätzen zu können, was werden und verändert werden kann.

Zu behaupten, früher sei der Konsum von bewussterem Handeln und stärker von Vernunft geprägt gewesen als heute, ist schon ziemlich naiv. Insbesondere, wenn man an die Einführung und Verschwendung von Kunststoffen ab den 70ern denkt.
Zu Welzers Naivität passt auch sein Satz im Interview „Man beginnt wieder, Dinge zu reparieren [in Repair-Cafes], statt sie wegzuschmeißen“.
Zur Frage, ob dies massentauglich ist, hat er nur eine Gegenfrage parat.
Wer so viel schwätzt wie der Welzer, hat aber Antworten, zumindest die Formulierung der Kompetenz zu bieten, oder selber Lösungen zu entwickeln und anzubieten, anstatt nur den Finger auf den Fehler zu richten und – wie in diesem Fall – die Schuld und den Lösungsauftrag an die Designer zu delegieren.

Natürlich ist unser Konsum kein Zukunftsmodell.
Aber wer kann/will in jeder Form konsequent sein?
Die Liste oben zeigt nur einen Bruchteil an Konsequenzen (Ich listete nur jene Punkte, die ich selber bereits erfülle, vom letzten Punkt mal abgesehen).

Selbst die simplen Lösungen, Ressourcen zu sparen, überfordern die meisten Konsumenten. Faulheit, Trägheit und Ausreden stehen hier im Weg.

Und in der Presse wird von vermeintlich übertriebenen Energiekosten fabuliert. Auch dort duckt man sich nur vor den Befindlichkeiten der Konsumenten, obwohl die Preissteigerung extrem leicht durch Energiesparstrategien (bei Strom, Heizung, PKW) von jedem Einzelnen zu kompensieren wäre.

Wenn es um Verantwortung geht, müssen wir uns alle an der Nase fassen. Es gibt keine Einzelnen, die am unvernünftigen Konsum und Verbrauch die Verantwortung zu tragen haben. Es sind auch nicht die Designer, die grundsätzlich die Ursachen der Verschwendung steuern könnten.
Upcycling-Shops sind sympathisch und sinnvoll, aber dennoch nicht mehr als eine Beruhigungs-Pille.

Selbstverständlich ändert sich das Lebens- und Konsum-System, dass wir alle gemeinsam zu verantworten haben und in dem wir es uns gemütlich gemacht haben nicht etwa „by design“, sondern selbstverständlich „by desaster“.

Die Interpretation, was ein qualitätsvolles Leben ausmacht, ist sehr vielfälltig.
Die Bewohner der Schwellenländer sind bereits dabei, den Konsum und die Verschwendung nachzuholen, den wir bereits erleben durften. Da diese die „Chance“ hatten, quasi bei Null anzufangen, hätten sie sich an allen Punkten aus der Liste (oben) halten können.
Selbst wenn Designer, oder wer auch immer, die Macht hätte, ein Ideal bzw. die Konsequenzen aus der Liste (oben), zu gestalten oder anderweitig das Bewusstsein für erheblich weniger Konsum zu schärfen und zu fördern, zeigt gerade die Liste (oben), dass sich kaum jemand daran halten wird.
Aber die Erfüllung der Punkte aus der Liste wären ein Anfang. Bis auf den letzten Punkt wäre alles problemlos zu erreichen. Dennoch sollte man im Hinterkopf behalten, das ca, 45% aller Arbeitsplätze in Deutschland direkt bzw. indirekt von der Automobilindustrie abhängig sind. Es wäre demnach erstrebenswert, hier auf Dauer eine Alternative, eine Ausweichlösung zu finden.
Wenn Herr Welzer sich als Vordenker bezeichnen lassen möchte, könnte er hier aktiv werden und Ideen vorschlagen.

Natürlich lässt sich so manches Ideal erträumen, das einmal formuliert, vollkommen korrekt erscheint. Aber erst, wenn die Punkte aus der obigen Liste erfüllt wären, könnte man davon ausgehen, das es mehr als nur ein Ideal wäre.

Alles ist viel komplexer, als es sich Schwätzer vorstellen können bzw. wollen.
Oder einfacher, als es die Schwätzer ihren Zuhörern zumuten können, wenn sie sich als weise Gatekeeper oder gar als Vordenker anbiedern und verkaufen wollen.
Die Realität des Konsumverzichts ist zu schmerzhaft, als dass man dieses Konsumthema zu banal beschreiben dürfte.

Abfälle und Öko-Katastrophen sind die Folgen unser Aller Konsum, unserer Bequemlichkeit und unseres Wohlstandes. Auch Schwätzer verbrauchen und nehmen am Konsum teil. Das beginnt schon mit der Kunststoffbrille, der Kleidung, die nicht selten von Kinderhänden hergestellt werden, damit wir billig einkaufen und alle Händler und Zwischenhändler gut verdienen können.

Konsum ist dabei nicht nur die Folge unseres aktuellen Verbrauchsverhalten, sondern auch seine Ursache. Es ist die menschliche Evolution, Gegenstände und Umstände optimieren zu wollen und dabei hinzunehmen, dass Vorteile durch Nachteile erkauft werden.

Wer hätte heute schon genug Motivation, seinem Fleisch selber hinterher jagen und es mit Steinkeilen zerlegen zu müssen. Wie weit will man zurück, wer soll entscheiden dürfen, wer wie leben und konsumieren darf?

Aktuell zeigt sich die Schwierigkeit, die Bequemlichkeit, Wirtschaftlichkeit und ökologische Vernunft zu vereinen, sehr deutlich beim Elektroauto BMW i3.
Durch Design und gestalteten Imagekampagnen werden diese Elektroautos populärer gemacht. Es wäre wünschenswert, Designer am gesamten Entwicklungsprozess teilhaben zu lassen. Aber der Umstand, dass es bisher nur in einem einzigen Automobilkonzern einen Designer im Vorstand gibt, zeigt sehr deutlich, welch begrenzten Einfluss Designern geboten wird.

Die Karosserie des BMW i3 wird aus Kohlefasern erstellt, weil es so stabil, aber auch leicht und somit energiesparend im Gebrauch wird. Das Kohlefasern nur mit extrem hohem Energiebedarf hergestellt und zudem mit hochgiftigen Kunststoffen zu einem Verbundwerkstoff verarbeitet wird und auf ewig unverrottbar und auch nicht recycling-fähig ist, wird bewusst verdrängt.
Immerhin wird zumindest beim BMW i3 die Kohlefaser mit Energie aus Wasserkraft hergestellt und bei der Karosserie mit Sonnenenergie zum Verbundwerkstoff verarbeitet. Dies ändert aber nichts daran, dass mit jedem BMW i3 Sondermüll produziert wird.

Dieser wohl gemeinte Versuch, Alltag, Bedürfnisse von Kunden, Lebensqualität, Ökologie mit Ökonomie zu vereinen oder gar zu versöhnen ist gescheitert, da nur Sondermüll produziert wird und das Elektroauto sehr teuer ist. Wenn der Wiederverkaufswert und weitere Kriterien berücksichtigt werden, die der ADAC bzw. viele Automagazine heranziehen, um die monatlichen Kosten eines PKWs zu ermitteln, ergeben sich für den BMW i3 bei einer Haltedauer von 4 Jahren monatliche Kosten von 1200,- Euro (damit könnte ich mir 4 Mal meinen Skoda Yeti leisten).

Leasing-Chef zieht beim BMW i3 den Stecker
Der Chef einer großen Leasinggesellschaft rechnet mit dem BMW i3 ab: „Ich kann das Auto keinem empfehlen.“ Nüchtern kalkuliert, müsse der Elektrowagen 1200 Euro im Monat kosten:
http://www.stern.de/auto/service/teurer-elektro-spass-leasing-chef-zieht-beim-bmw-i3-den-stecker-2071812.html

Der Geiz, Egoismus, die fehlende Lust auf Vernunft, aber auch echte finanzielle Grenzen werden dafür sorgen, dass sich die normalen Verbraucher beim Kauf des Öko-BMWs zurückhalten werden. Es wird nicht mehr als das Öko-Alibi-Drittauto gutverdienender SUV-Fahrer werden, die sich so das Rasen auf der Autobahn schönreden und den Benzinverbrauch des SUV oder der Luxusklasse-Limousine schön rechnen können.

Bei den Entscheidungen zu den Planungen dieses BMW i3 diskutieren Unternehmer, Manager, Kalkulierer, Ingenieure, viele weitere Entwickler und Ökoexperten. Alle Prozesse, Verbindlichkeiten, Sachzwänge, ökologischen Erfordernisse und Zusammenhänge sind meistens sehr komplex. Diese Komplexität ließ dieses Unterfangen zu einer echten Herausforderung werden, an der man Designer leider nur zu einem sehr geringem Anteil teilhaben ließ.

Um so absurder ist die Aufforderung des Harald Welzers „Designer sollten die Welt vom Überfluss befreien“. Auch der wohlwollende Satz „…man müsse bei denen, die für Gestaltung zuständig sind, neue Strategien fördern“ klingt ebenso nur schwätzend wie der Hinweis „Für diese Art von Veränderung brauchen wir eine gesellschaftliche Vision und nicht nur eine technische“.

Antworten oder Strategien, die die tatsächlichen Zusammenhänge und Bedürfnisse in unserer Gesellschaft berücksichtigen, hat Harald Welzer selber keine zu bieten. Er will nur der Moderator sein, der die benennt, die sich kümmern sollen.